Ein ganzes Leben im Pfarrhaus
Karl Groß wirkte über sechs Jahrzehnte als Pfarrer in Blüthen, unterstützt von seiner tatkräftigen Ehefrau Gerlinde, die ihn fast 20 Jahre überlebte.
Karl Gustav Groß war mehr als 60 Jahre Pfarrer von Blüthen. Er wurde in Berlin geboren. Als erster seiner Familie schlug er nicht die Laufbahn eines Volksschullehrers ein, sondern studierte evangelische Theologie. Nach Stationen in Berlin, Tübingen und Wittenberg wurde er 1930 ordiniert und übernahm zwei Jahre später die Pfarrstelle in Blüthen – ein Amt, das er bis weit über seine Pensionierung hinaus ausfüllte. Mehr als 60 Jahre lebte er im Pfarrhaus, das ihm zugleich Lebensmittelpunkt, Arbeitsstätte und Rückzugsort für seine weitgefächerten wissenschaftlichen Interessen war.
Karl Groß war ein Gelehrter auf dem Lande, ein zurückhaltender, theologisch versierter Kopf mit einer Neigung zur Witz und Hintersinn. Er hatte sich bewusst für das Landpfarrerleben entschieden, da er sich davon genügend Zeit für seine vielfältigen wissenschaftlichen Interessen versprach. Auch seine zahlreichen Reisen dokumentierte er detailreich – fotografisch und schriftlich. Politisch war er vermutlich nicht interessiert, bezog auch im „Kirchenkampf“ während des Nationalsozialismus keine ersichtliche Stellung.
Der Kontakt zu Kindern blieb ihm zeitlebens fremd – wie es sich schon während seines Studiums gezeigt hatte. Er selbst blieb kinderlos. Seit 1939 teilte er das Pfarrhaus jedoch mit seinen Eltern, die ihn in allen praktischen Dingen des Lebens unterstützten. Nach dem Tod der Mutter 1957 wurde dem Junggesellen, der nun alleine in mit seinem über 80jährigen Vater lebte, von allen Seiten mit sanftem Druck eine Ehefrau zugeführt. 1960 – längst über vierzigjährig – heiratetet er die aus Duisburg stammende Lehrerin.
In dieser Ehe begegneten sich zwei gegensätzliche Charaktere, die sich dennoch ergänzten: ein intellektueller Einzelgänger und eine bodenständige, tatkräftige Frau. Die Fotos aus der Ehezeit lassen keinen Zweifel an ihrem Selbstbewusstsein. Gerlinde Groß war zeitlebens eine energiegeladene, praktisch veranlagte Frau mit pädagogischer Berufung. Nach dem Krieg hatte ihr Weg sie zunächst nach Mecklenburg geführt, wo sie als Lehrerin und Schulleiterin wirkte. In der DDR war eine berufstätige Pfarrfrau jedoch unerwünscht. So blieb ihr Engagement auf Christenlehre, Katechese und Vertretungsunterricht beschränkt. Sie fuhr Motorrad, später Auto, kochte gut und konnte mit Kindern umgehen. Gerlinde Groß war im Dorf ebenso präsent wie ihr Mann, trat nach seinem Tod selbstbewusst als „Frau Pastor“ auf und verwaltete noch weitere knapp 20 Jahre das Erbe einer langen Amtszeit.