Lebensgeschichten

Auf dem Friedhof in Blüthen soll an die Lebensgeschichten früherer Einwohner erinnert werden. In diesen Biographien steht das Exzentrische neben dem repräsentativ Durchschnittlichen. Hier finden sich in kontrastreichem Nebeneinander Alteingesessene und Flüchtlinge, das gestrenge Pfarrerehepaar Karl und Gerlinde Groß neben dem Dorfhallodri, der Viehhändler neben dem international tätigen Erbauer von Parcour-Reitanlagen, ein Rittergutsbesitzer aus dem nicht mehr existierenden Gutshaus Klockow neben einem womöglich niemals nach Blüthen gekommenen, aber trotzdem hier begrabenen Bischof aus dem spätmittelalterlichen Lübeck. 

Die versammelten Schicksale sind manchmal erheiternd, oft aber bedrückend: In vermeintliche Sicherheit landverschickte Kinder, die 1945 Opfer einer verirrten Fliegerbombe wurden, eine vierköpfige Familie, die 1966 einer Fischvergiftung erlag, was den Zeitumständen folgend eher verschwiegen wurde. Es finden sich Unfallopfer, Kindstötungen im 19. Jahrhundert, Suizide und Morde – manchmal weiß man nicht genau, ob das eine oder das andere. 

Die Botschaft des ganzen Projekts ist: Jedes Leben ist besonders, jedes Leben ist eingebunden in die Geschichte, jedes Leben ist ein Teil der Erzählung des Ortes und der Region. Das scheinbar unbedeutende Leben ist genauso der Erinnerung wert wie das scheinbar bedeutendere. 

Das Museum schließt damit eine Lücke: Die dort ausgestellte akribische Pfarrerchronik gilt nur den Geistlichen, die „Seelenkartei“ der Gemeindemitglieder verzeichnet nur Zahl und Namen. In den „Lebensgeschichten“ werden nun diese Karteien mit Leben erfüllt. Das Projekt ist zugleich der Ansatz zu einem „Totenbuch“ der Gemeinde, es erweitert das Museum in den Naturraum, es macht ihn zur Gedenklandschaft.

Die ausgewählten Biographien werden im Museum in Printform sowie auf der Website des Pfarrhausmuseums verfügbar sein. 

Eigentlicher Ort aber ist der Friedhof. Hier werden unmittelbar neben Grabsteinen, aber auch anstelle nicht mehr existierender Grabstätten insgesamt zwanzig Stelen aus Stahl platziert. Neben den Basisangaben zu den Verewigten findet sich ein QR-Code, mit dem sich Besucherinnen und Besucher auf dem Smartphone in dieses „Buch“ einloggen können. 

Das Projekt „Lebensgeschichten“ wird unterstützt durch das Regionalbudget der LAG Storchenland Prignitz mit Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.