Was haben Pfarrhaus und Sparkasse historisch gemeinsam? Beider Leitbild ist die Daseinsvorsorge, und das heißt: Risikovorsorge. Im Pfarrhaus hat das eine religiös-spirituelle Dimension: Das Streben nach Perfectio im Diesseits, also den Auftrag, das Beste aus einem von Gott geschenkten Leben zu machen. Reformation bedeutete daher auch ein umfassendes Programm zur Verbesserung der irdischen Welt, und die fing im eigenen Haus an.
Das Pfarrhaus, das Landpfarrhaus zumal, hatte den Auftrag, diese Mission als immerwährenden Modellversuch vorzuleben. Nicht von ungefähr sind es evangelische Pfarrer, die schon im 16. Jahrhundert die sogenannte „Hausväter“-Literatur etablieren, Enzyklopädien der sparsamen, weitsichtigen, rational und auf wissenschaftlichem Fundament beruhenden Haus-Ökonomie. Die überwältigende Mehrheit der Pfarrhäuser war arm. „Modell“ zu sein, den bürgerlichen Lebens- und Bildungsstandard zu halten – all das war nur mit eiserner Sparsamkeit zu verwirklichen.
Um 1800, in der Zeit der Aufklärung, hat sich diese lebenspraktische und reformerische Seite des Pfarrhauses am auffälligsten gezeigt – und es ist kein Zufall, dass in dieser Zeit die ersten kommunalen Sparkassen entstanden und zwar in protestantisch geprägten Territorien, 1778 in Hamburg, 1795 im Herzogtum Oldenburg, 1801 in Göttingen, 1808 im Herzogtum Hessen-Darmstadt. Der sozialreformerisch und unternehmerisch gleichermaßen dynamische Pfarrer Johann Friedrich Oberlin gründete im ländlichen Elsass 1785 seine Sparkasse praktischerweise selbst.
Das Versorgungsangebot des Pfarrhauses ist flächendeckend, das der Sparkasse auch. Die Bank war noch bis weit ins 20. Jahrhundert eine Angelegenheit der Großstadt und der Großkunden, der Aktien-Emission und Vermögensverwaltung. Die Sparkasse begann als Bank der Arbeiter, Handwerker und Tagelöhner. Der Pastor wetterte am Sonntag von der Kanzel: Vertrinkt und verspielt eure paar übrigen Groschen nicht im Wirtshaus! Die Sparkasse gleich gegenüber offerierte am Montag die Alternative.
„Der Besitz eines Sparbuchs“, schreibt der Historiker Thomas Nipperdey, war „ein Ansatz zur Entproletarisierung“. Der Besitz einer Bibel war schon seit der Reformation ein Ansatz zur geistigen Teilhabe, in der es keine Klassenschranken geben sollte. So haben beide ihr Buch als Ausgangspunkt, auch wenn das eine bei der Vermögensbildung keine große Rolle mehr spielt, und die Bibel selbst im Pfarrhaus mit lebensweltlicher Erbauungsliteratur konkurriert.
Das Pfarrhaus bedeutete Bildung für alle, die Sparkasse ein Konto für alle – beides sind Investitionen für die Zukunft. So geht eine beruhigende und zuversichtliche Schwingung aus von Bank zu Bank – der in der Kirche und der mit dem Tresor im Keller.
Ein Wermutstropfen: Der Anteil der Sparkassen am Geschäftsvolumen des deutschen Kapitalmarkts lag 1913 schon bei 32 Prozent, 1966 bei 38,5. Zuwächse hatte die Kirche in diesem Zeitraum nicht mehr zu verzeichnen. Im Gegenteil.
Bodo Baumunk
Das Pfarrhausmuseum wird gefördert von der